Der Weg zur #EURO2024 in Deutschland!

https://www.linkedin.com/pulse/der-weg-zur-euro2024-deutschland-philipp-lahm/

Ich bin ein paarmal gefragt worden, warum ich so selbstverständlich in die Rolle eines EM-Botschafters geschlüpft bin. Das kann ich ganz leicht beantworten: Es liegt in der Familie.

Meine Familie kümmert sich, seit ich denken kann, um die FT-Gern. Das ist der Klub, in dem ich zu kicken begonnen habe. Mein Vater war Trainer, meine Mutter ist Jugendleiterin, meine Schwester kümmert sich ums Marketing. Es mag für manche merkwürdig klingen, dass ich darin ein wichtiges Motiv sehe, auf der ganz großen Fußballbühne eine Funktion zu übernehmen. Aber Vereinsleben hat für mich von klein auf große Bedeutung. Der Breitensport macht die gesunde Basis des Spitzensports aus und sorgt für die Bodenhaftung, die auch der Spitzensport bitter nötig hat.

Als der DFB bei mir anfragte, ob ich die Rolle eines EM-Botschafters übernehme, musste ich nicht lange überlegen. Die Anfrage brachte gleich zwei Saiten in mir zum Schwingen. Die Saite des Jungen, dessen Leben untrennbar mit seinen Vereinen verbunden ist. Und die Saite des Spitzensportlers, der seine Erfahrung in den Dienst eines Projekts stellen kann, das größer ist als die eigene Biografie.

Unsere Bewerbung hatte die richtigen Schwerpunkte. Gerade in unsicheren Zeiten hat Deutschland als stabile Demokratie eine Aura der Verlässlichkeit. Unser Land liegt in der Mitte Europas und ist von allen Seiten leicht zu erreichen. Die Infrastruktur ist erstklassig und wird bis 2024 noch einmal verbessert. Die wirtschaftliche Lage ist gut, hohe Investitionen in die EM sind abgesichert. Fans aus den Kernländern des europäischen Fußballs – Italien, Spanien, Portugal, England, Frankreich – müssen nicht unendlich weit reisen, um in Deutschland gemeinsam mit ihren Mannschaften ein großes Fest zu feiern. Ein Fest, das Fans aller Nationalitäten zusammenbringt. Ein Fest, das den Zauber des Fußballs nützt, um Freundschaften zu stiften und über die Grenzen der einzelnen Länder hinaus das Gemeinsame, das Verbindende zu feiern.

Als ich mit der DFB-Delegation nach Nyon reiste, hatten wir unser erstes Ziel schon erreicht. Unsere Bewerbung, das wusste ich, war vorbildlich. Wir hatten unsere Hausaufgaben gemacht. Jeder von uns hatte auf seinem Terrain optimale Vorarbeiten geleistet. 

Ich war als offizieller Botschafter des DFB fast ein Jahr lang unterwegs, um einerseits Öffentlichkeitsarbeit für unsere Bewerbung zu machen und andererseits in zahlreichen Einzelgesprächen mit Entscheidungsträgern klarzustellen, wo die Vorzüge einer EM in Deutschland liegen. Es mag angesichts der Qualität unserer Kandidatur fast überflüssig scheinen, welchen Aufwand wir getrieben haben – aber die Realität sieht anders aus: Jedes Einzelgespräch, jedes Interview, jeder Austausch, jede Diskussion zahlen entscheidend darauf ein, dass die EM 2024 tatsächlich in Deutschland stattfinden kann.

Dabei durften wir nicht aus den Augen verlieren, dass die Vergabe der WM 2006 an Deutschland noch immer aufgearbeitet wird. Deshalb mussten wir ganz besonders auf die Transparenz unserer Bewerbung achten, wie im Übrigen auch die UEFA. Ich glaube, wir alle haben im Vorfeld der Vergabe bewiesen, dass wir aus der Vergangenheit gelernt haben. Das kann freilich nur ein Anfang sein. Integrität muss man täglich von neuem beweisen.

Wir waren durchaus überzeugt, dass wir gewinnen. Aber wir waren nicht sicher. Bei den Gesprächen mit den Stimmberechtigten in Nyon hörte ich das Interesse an unserer Bewerbung klar heraus, aber wider Erwarten keinerlei Tendenz für eine Entscheidung. Wenn mich jemand fragte, auf welche Seite sich die Waage neigt, konnte ich keine Antwort geben. Ergebnis: offen. Das empfanden alle Mitglieder unserer Delegation gleich.

Der Ablauf am Entscheidungstag sah vor, dass beide Bewerbungen im Rahmen der „Final Presentation“ zuerst ihre Videopräsentation vorführen und anschließend auf dem Podium den Mitgliedern des UEFA-Exekutivkomitees Rede und Antwort stehen. Unser Team bestand aus Bundestrainer Jogi Löw, der früheren Nationalspielerin und DFB-Integrationsbotschafterin Celia Sasic, dem Bewerbungsleiter Markus Stenger und dem DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius. Jeder von uns deckte einen eigenen Themenbereich ab. Wir simulierten in mehreren Vorbereitungssessions das Frage-und-Antwort-Spiel vor den Delegierten, um zu trainieren, welche Fragen wir wie beantworten würden. Mein Themenbereich lautete „Celebrate“. Ich würde erklären, warum Deutschland der ideale Ort für Fußballfans ist, ein großes, verbindendes Fest zu feiern, siehe oben.

Für mich war es eine ungewohnte Vorbereitung. Bisher hatte ich Anzug und Krawatte nur zum Reisen getragen. Jetzt war es sozusagen meine Wettkampfkleidung. 

Wir verbrachten vier Tage in Nyon, und ich spürte zusehends, wie wir in eine Art Wettkampfmodus glitten. Im Vorfeld hatte es Mutmaßungen darüber gegeben, dass die Özil-Gündogan-Affäre Auswirkungen auf die Vergabe der EM haben würde, aber das hielt ich für unrealistisch. Das Thema betraf die Nationalmannschaft, nicht die EM-Bewerbung. Das würde im Exekutivkomitee niemand durcheinander bringen, auch wenn unser einziger Gegner ausgerechnet die Türkei war.

Als UEFA-Präsident Aleksander Ceferin auf die Bühne stieg und das Kuvert in die Hand nahm, in dem sich das Ergebnis der Abstimmung befand, saß ich zwischen DFB-Präsident Grindel und Celia Sasic in der ersten Reihe des Auditoriums von Nyon. 

Mir liefen gleichzeitig ein paar Gedanken durch den Kopf. Plötzlich war das überragende Gefühl da, als ich im Eröffnungsspiel der WM 2006 in München auflief und gegen Costa Rica eines meiner seltenen Tore erzielte. Es war der Auftakt zu dieser unglaublichen Party namens „Sommermärchen“, die an der Stimmung in Deutschland nachhaltig etwas verbessert hat. 

Dann dachte ich, wie merkwürdig es ist, in einem entscheidenden Moment nichts mehr tun zu können außer jemanden anzustarren und zu warten. Ceferin sagte noch ein paar verbindliche Worte, beide Kandidaturen seien gut gewesen, leider könne nur einer die EM austragen, und ich wollte nichts anderes, als dass der UEFA-Präsident tut, was er wenige Augenblicke später auch tat: dass er den Zettel aus dem Kuvert nimmt und bekannt gibt, dass wir den Zuschlag bekommen haben.

Erst als wir aufstanden und einander umarmten, merkte ich, wie riesig die Erleichterung war. Alles, was ich bisher getan hatte, war aus tiefer Überzeugung geschehen. Und ich will meinen Teil dazu beitragen, dass diese EM ein Fest für die Fans wird, ein Fest, wie wir es in unserer Bewerbung versprochen haben.

Derzeit sind wir dabei, die Aufgaben, die anstehen, zu ordnen. Unsere Ideen, wie wir mit Fußball in Deutschland etwas Positives bewirken können, müssen jetzt umgesetzt werden. Der Zuschlag, den wir bekamen, ist auch Verpflichtung. Mehr darüber im nächsten Post.


评论
热度(3)

© fipstyle | Powered by LOFTER