Die Maschine

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Was Philipp Lahm zum besten Fußballer Deutschlands machteDie Maschine

Philipp Lahm galt nie als Mann des Volkes, Philipp Lahm flogen keine Herzen zu. Trotzdem hinterlässt er eine Lücke, die niemand füllen kann. Über einen Mann, der in einer Reihe mit Beckenbauer, Müller und Matthäus stehen wird. 

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Keiner mag Streber. Oft, weil sie alle anderen daran erinnern, was an Erfolg eigentlich möglich wäre, wenn man nur tüchtig genug ist. Immer, weil sie in der Endabrechnung besser sind als alle anderen. Viel besser. Man kann Philipp Lahm für einen Streber halten. Seine nähmaschinige Spielweise, diese fast zwanghafte Art, ein Spiel in erster Linie so zu spielen, dass es eben nicht nach einem Spiel, sondern nach einem durchchoreografierten Ablauf aussieht. Ballannahme, Pass, Hinterlaufen. Ballannahme, Pass, Hinterlaufen. 16 Jahre lang. 764 Pflichtspiele. Drei Europameisterschaften, drei Weltmeisterschaften, drei Champions-League-Endspiele.



Man muss in dieser Zeit und in diesen Spielen nicht sein Herz an diesen Mann aus München-Gern verloren haben. Man muss aber, und so zwingend muss man wenige Dinge im Fußballgeschäft, restlos anerkennen, dass Philipp Lahm in der Endabrechnung besser war als alle anderen Fußballer seiner Generation.

Wo Lahm ist, brennt nichts an

Auf Philipp Lahm war Verlass. Immer. Wenn sich ein Trainer einen Spieler schnitzen könnte, er wäre 1,70 Meter groß und trüge eine Frisur wie ein Schuljunge, dem das Deckhaar auf der Radfahrt zum Training vom Wind ordentlich durcheinander gewirbelt wurde. Wenn sich ein Trainer also einen Spieler schnitzen könnte, es würde sein Messer tunlichst so am Holz entlangführen, dass am Ende ein Philipp Lahm dastünde. Denn auf Philipp Lahm war nicht nur immer Verlass. Philipp Lahm spielte auch immer gut. So richtig gut. Immer. Was oft erst dann so richtig auffiel, wenn er mal nicht spielen konnte. Oder der Trainer ihn auf einer anderen Position brauchte als auf der des Außenverteidigers. 





So wie zu Beginn der WM 2014, als Löw Lahm ins Zentrum zog und dafür Shkodran Mustafi rechts verteidigte. Als einem Rechtsverteidiger also plötzlich Gegenspieler im Rücken davonliefen. Als an diesem Fleckchen Fußballfeld, das sonst einem professionellem »Klippo« glich - weil es sowieso keinen Sinn machte, Philipp Lahm zu attackieren - Bälle versprangen, Bälle verloren gingen und ungeplant im Aus landeten. Wir alle hatten uns über all die Jahre so daran gewöhnt, dass dort, wo Philipp Lahm ist, nichts anbrennt, dass wir es für selbstverständlich hielten. Auch die Bayern werden bald merken, dass das alles nicht selbstverständlich war. 

Es ging ihm am Arsch vorbei

Philipp Lahm verlor nie die Kontrolle. Nie. Nicht über sein Spiel, nicht über das seines Gegners, nicht über seine Außenwahrnehmung. Obwohl er oft, auch von uns, vom Mann zum Männlein geschrieben wurde. Weil seine Statur niemanden beeindruckt, weil er sich anzieht, als würde ihm seine Mutter auch heute noch die C&A-Klamotten morgens rauslegen. Weil er in Interviews nach dem Spiel auch mit 30 Jahren noch so klang, als käme er demnächst in den Stimmbruch.

Wir konnten ihn nur zum Männlein schreiben, weil ihm das am Arsch vorbei ging. Und vielleicht ist das sogar das größte Kompliment, was man einem Weltstar wie Philipp Lahm machen kann: Der Mann, den viele auf den ersten Blick nicht richtig ernst nahmen, ist nie über eigene Eitelkeiten gestolpert. 

Denn: Philipp Lahm war der Chef. Und zwar so richtig. Er wusste genau, wie er sich durchzusetzen hat, wann er sich wie in Stellung bringen muss. Hinter den Kulissen. Und in der Öffentlichkeit. Als er befürchtete, mit den Bayern international in der Bedeutungslosigkeit zu verschwinden, geigte er der Vereinsführung ordentlich die Meinung. Mit einem Interview in der Süddeutschen Zeitung. Er zahlte 50.000 Euro Strafe. Und führte die Mannschaft als Kapitän in das erfolgreichste Jahrzehnt der letzten 40 Jahre. 



Und so oft er auch von flachen Hierarchien und dem Ende der Alphatiere erzählte: Als es nach der WM 2010 darum ging, ob Aushilfskapitän Lahm das Amt von Übermacker Ballack gänzlich übernimmt, zählte Lahm diesen wiederum öffentlich an. Kurze Zeit später machte Löw Lahm zu seinem neunen Kapitän. Und Michael Ballack machte nie wieder ein offizielles Spiel für die Nationalmannschaft. Man könnte das berechnend nennen. Man könnte lospoltern wie Rudi Völler, der auf in einem Buch geäußerte Kritik Lahms mit den Worten »erbärmlich und schäbig« reagierte. Größtenteils waren Lahms Moves aber vor allem eines: smart.

Er wird eine Bereicherung sein

Wir können froh sein, dass Philipp Lahm so ein smarter Dude ist. Denn wo im Fußballgeschäft auch immer er in zwei, drei Jahren wieder auftauchen wird: Er wird dort eine Bereicherung sein. Und er wird seine Sache so verdammt gut machen, dass diese ihm anhaftende Strebsamkeit viele schon wieder nerven wird. Aber, Hand aufs Herz: Wenn er nicht beim FC Bayern als Sportdirektor anfinge, sondern beispielsweise bei Werder Bremen - Gott! Was würden sie sich in Bremen die Augen feucht freuen. 



Weil sie auch dort wüssten: Wo Philipp Lahm ist, ist alles gut. Alles unter Kontrolle. Alles erfolgreich. Und, wenn man sich Fotos aus mehr als einem Jahrzehnt Philipp Lahm anguckt - also Lahm als wirkliches Männlein in Stuttgart, Lahm mit Gipsarm gegen Costa Rica, Lahm in Extase gegen die Türkei oder mit allen Pokalen dieser Welt in den Händen - dann muss man zugeben. Philipp Lahm hat uns allen eine Menge Freude bereitet. 


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